Rückblick auf die Informationsveranstaltung zur unechten Teilortswahl mit dem Gemeindetag Baden-Württemberg

Der Gemeinderat hat in seiner öffentlichen Sitzung am 15. Mai 2025 beschlossen, die Aufhebung der sogenannten unechten Teilortswahl eingehend zu prüfen. Im Rahmen des vorausgehenden Meinungsbildungsprozesses war es dem Gremium ein wichtiges Anliegen, die Bürgerschaft umfassend, sachlich und verständlich sowohl über das bestehende Wahlsystem als auch über die verschiedenen Aspekte einer möglichen Beibehaltung oder Aufhebung zu informieren. Als fachlich versierten und unabhängigen Partner konnte hierfür der Gemeindetag Baden-Württemberg gewonnen werden.

Rund 80 Interessierte folgten am Donnerstag, 30. Oktober 2025, der Einladung zur Informationsveranstaltung und wurden von Bürgermeister Wolfgang Hofer herzlich begrüßt.
In seinen einleitenden Worten betonte Bürgermeister Wolfgang Hofer, dass es im Rahmen der Veranstaltung nicht um bereits beschlossene Vorhaben gehe, sondern darum, auf Grundlage fundierter Informationen eine reflektierte Meinungsbildung zu ermöglichen. Anlass für die Überprüfung der unechten Teilortswahl war insbesondere die deutliche Vergrößerung des Gemeinderats auf nunmehr 24 Mitglieder im Zuge der Kommunalwahl am 9. Juni 2024 – eine Größe, wie sie sonst Kommunen mit 20.000 bis 30.000 Einwohnern aufweisen. Diese Entwicklung sei, so der Bürgermeister, auf die Systematik der unechten Teilortswahl zurückzuführen.
In diesem Zusammenhang blickte Bürgermeister Wolfgang Hofer auch auf die Eingliederung der ehemals selbstständigen Gemeinde Lauterburg in die Gesamtgemeinde Essingen zurück, bei der die unechte Teilortswahl vor über 50 Jahren eingeführt wurde. Angesichts dieser langen Zeitspanne sei es legitim, die Frage zu stellen, ob dieses kommunalverfassungsrechtliche Instrument noch zeitgemäß sei. Zugleich wies er darauf hin, dass zahlreiche Kommunen die unechte Teilortswahl inzwischen aufgehoben haben – auch wenn es nach wie vor Argumente für deren Beibehaltung gibt. Umso wichtiger sei eine sachgerechte und umfassende Information über das Wahlsystem und dessen Auswirkungen speziell auf die Gemeinde Essingen. Der Bürgermeister zeigte sich erfreut, dass mit Felix Witzlinger, Referent für Kommunalrecht beim Gemeindetag Baden-Württemberg, ein ausgewiesener Experte die Veranstaltung fachlich begleitete.
Anhand einer anschaulichen Präsentation mit zahlreichen Schaubildern, Tabellen und Datenauswertungen führte Felix Witzlinger zunächst allgemein in die Systematik des kommunalen Wahlrechts ein, bevor er detailliert auf die Besonderheiten der unechten Teilortswahl einging. Er zeigte anhand von Erhebungen, dass die Zahl der Kommunen mit unechter Teilortswahl seit 1999 um rund 50 Prozent gesunken ist. Nach einem Exkurs zur komplexen Sitzverteilung bei der Gemeinderatswahl 2024 beleuchtete er sowohl die Vorteile einer Beibehaltung als auch die Argumente für eine mögliche Aufhebung.
Zu den Vorteilen des Systems zählte er insbesondere die Sicherung einer ortsbezogenen Repräsentation und die Einbindung lokaler Interessen. Auf der anderen Seite verwies er auf Herausforderungen, wie die eingeschränkte Ausschöpfung von Stimmkontingenten, die Zahl ungültiger Stimmen, die geringe Transparenz für Wählende sowie die zunehmende Schwierigkeit, ausreichend Kandidatinnen und Kandidaten zu finden. Auch die regelmäßige Zuteilung von Ausgleichssitzen an den Hauptort sowie die gesetzlich verankerte und in der Praxis auch gelebte ortsteilübergreifende Vertretung im Gemeinderat wurden angesprochen. Mit Blick auf eine landesweite Untersuchung dieses Wahlrechtsunikats stellte der Kommunalrechtsreferent fest, dass durch eine Aufhebung der unechten Teilortswahl regelmäßig rechnerisch die Ortsteile ihre Repräsentation nicht verlieren, sondern teilweise sogar stärken.
Auch er stellte die Frage der Aktualität des Wahlsystems über 50 Jahre nach dessen Einführung in den Raum. In seiner weiteren Präsentation arbeitete Felix Witzlinger bereits bestehende besondere Beteiligungsformen, wie insbesondere den eingerichteten Bezirksbeirat, die insitutionelle Sondervertretung durch Ortswarte und regelmäßige Einwohnerversammlungen heraus. Durch eine gezielte Weiterentwicklung und Schärfung dieser Instrumente ist es nach Ansicht des Kommunalverfassungsreferenten möglich, eine angemessene Vertretung und Beteiligung der Ortsteile auch ohne das Wahlsystem der unechten Teilortswahl zu gewährleisten und sicherzustellen. In diesem Zusammenhang gab er individuelle Anregungen hinsichtlich einer Fortschreibung der Instrumente.
 
Im Anschluss an den fachlich fundierten Vortrag entwickelte sich eine rege Diskussion. Viele Teilnehmende brachten ihre Perspektiven, Anregungen und Fragen zur Beibehaltung oder Aufhebung des Wahlsystems ein. Auch Vorschläge zur Stärkung bestehender Beteiligungsformen – wie eine intensivere Einbindung des Bezirksbeirats, der Ortswarte und die aktivere Nutzung der Bürgerfragestunde – wurden erörtert.
 
Im Anschluss an die gemeinsame Erörterung nutzten zahlreiche Gäste die Gelegenheit, mit Mitgliedern des Gemeinderats und des Bezirksbeirats in den persönlichen Austausch zu treten und einzelne Punkte zu vertiefen.
 
Ein besonderer Dank gilt dem Obst- und Gartenbauverein für die Übernahme der Getränkeversorgung sowie allen Teilnehmenden für ihr Interesse, ihre Offenheit und den konstruktiven Dialog.